saai | Archiv für Architektur und Ingenieurbau
Digitaler Katalog Egon Eiermann
Kaufhaus Merkur (Arbeitsraum Salman Schocken)
1951-1961, Arbeitsraum Salman Schocken 1952
Kaufhaus Merkur (Arbeitsraum Salman Schocken)
Egon Eiermanns Planungen für das Kaufhaus Merkur in Stuttgart zogen sich über zehn Jahre hin. Zu Beginn hatte er ab 1951 eine Erweiterung des bekannten, von Erich Mendelsohn 1927/28 errichteten Kaufhauses Schocken vorgesehen. 1952 richtete Eiermann dem Firmenbesitzer Salman Schocken zunächst ein Büro im östlichen Dachaufbau ein. Es folgte die Neuausstattung einer »Erfrischungshalle«.
Da der Altbau den veränderten technischen Anforderungen (Rolltreppen, Klimaanlage, erhöhter Warendurchsatz) nicht gerecht wurde und die von der Stadt geforderten Parkplätze in einem Anbau nicht unterzubringen waren, wurde ab 1956 der Abriss des Gebäudes vorgesehen. Bis 1957 ging man noch vom Erhalt des markant abgerundeten Treppenhauses von Mendelsohn aus. Im Zuge der Neubauplanungen an derselben Stelle sollte zudem die beengte Verkehrssituation an der Eberhardstraße verbessert werden. Ausgeführt wurde das Kaufhaus schließlich 1959-1961 nach nochmals geänderten Plänen als ein von der Eberhardstraße bis zur Breiten Straße reichender Baublock. Drei Kellergeschosse nehmen in der beengten innerstädtischen Lage die Parkplätze auf.
Der Übergang der Firmenleitung an Helmut Horten 1953 hatte zu einem veränderten Anspruch an die Architektur geführt. Eine für alle Filialen einheitliche Fassadengestaltung sollte signethaft für das Unternehmen werben und als vorgehängte Haut absolute Flexibilität der dahinter liegenden Außenwand gewährleisten. Mit der Fassade des Kaufhauses Merkur in Duisburg (Harald Loebermann und Helmut Rhode, 1958) aus Kunststeinwaben war eine Richtung gewiesen, deren weitere Erprobung Helmut Horten mehreren Architekten gleichzeitig übertrug, so auch Egon Eiermann bei dem Stuttgarter Haus.
Eiermann entwickelte einen 60 x 60 Zentimeter großen Keramik-Formstein mit zwei gewölbten, sich kreuzenden Flächen, dessen versetzte Anordnung der Außenhaut einen textilen Eindruck, einem Vorhang gleich, verlieh. Den vier Obergeschossen (an der hangabwärts gelegenen Seite auch dem »Erdgeschoss«) wurde mit diesen Formsteinen eine zweite Ebene vorgehängt, die licht-und luftdurchlässig war. Während in Stuttgart die homogene Außenfläche die blockhafte Wirkung des Baus unterstützte, entwickelte Eiermann diesen Fassadentyp für das Kaufhaus Horten in Heidelberg (1962 fertig gestellt) weiter. Dort gliedern horizontal verlaufende U-Eisen die Fassade in geschosshohe Bänder; die Gebäudeecken sind durch ein vertikales Rohrprofil abgesetzt.
Der Abriss des Mendelsohn-Baus rief die Kritik national und international tätiger Architekten hervor. Von Studenten der Stuttgarter Architekturfakultät ausgelöst, entbrannte eine in Fachzeitschriften und in der lokalen Presse geführte Debatte um den Denkmalwert des Vorgängerbaus. Auch wenn Eiermann zu der Entscheidung für einen Neubau stand - nachdem er den Altbau auf seine funktionale Eignung geprüft hatte -, so distanzierte er sich später dennoch von dem ausgeführten Bau. In der konfliktreichen Planung wurden zahlreiche Entscheidungen durch die firmeneigene Bauabteilung ohne Absprache oder gar gegen den Willen Eiermanns vorgenommen, deren Umsetzung er nicht mit seinem Namen in Verbindung bringen wollte. Nach erneuten Planungsschwierigkeiten beim Bau des Kaufhauses in Heidelberg beendete der Architekt die Zusammenarbeit mit der Firma Horten endgültig.
Friedrike Hobel
"Egon Eiermann 1904-1970. Die Kontinuität der Moderne", Hrg. Annemarie Jaeggi, Hatje Cantz: Ostfildern-Ruit, 2004, S. 191f.
Projektspezifische Angaben
- Egon Eiermann und Robert Hilgers, Architekten