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Digitaler Katalog Egon Eiermann

Kaufhaus Merkur
1952

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Kaufhaus Merkur

Mit dem Bau des Kaufhauses Merkur in Heilbronn 1951 begann die etwa zehn Jahre anhaltende Tätigkeit Egon Eiermanns für den deutschlandweit agierenden Konzern. Insbesondere die frühen Beispiele in Heilbronn und Reutlingen spiegeln die fruchtbare Zusammenarbeit des Architekten mit der Firmenleitung unter Salman Schocken wider: Waren Eiermann einerseits durch Warenlogistik und -präsentation, Erschließung, technische Anlagen sowie ökonomische Bedingungen enge Vorgaben für die Planung gesetzt, so zeigte das Unternehmen andererseits Aufgeschlossenheit gegenüber neuen architektonischen Lösungen. Nicht so sehr durch Repräsentation zeichnen sich diese Häuser aus, vielmehr durch klare Baukörperentwicklung und eine zurückhaltende Architektursprache.

Die Planung für das Kaufhaus in Reutlingen begann im April 1952, bereits knapp acht Monate später, am 20. November 1952, fand die Einweihung statt; die Bauausführung lag bei der firmeneigenen Bauabteilung in Nürnberg. Errichtet wurde das Gebäude an der Ecke Karlstraße/Kaiserstraße als viergeschossiger Baukörper mit seitlich herausgezogenen und durch eine Glasfuge abgesetzten Treppenhäusern. Der Stahlbetonskelettbau mit Hohlkörperdecken ermöglicht eine flexible Möblierung auf der gesamten Geschossfläche, die nur durch zwei Stützenreihen untergliedert ist. Umlaufende, oberhalb der Regalzone liegende Fensterbänder belichten und belüften den Raum. Die horizontalen Wandstreifen der Fassade sind aus gelbem Klinker gemauert. Im rückwärtigen Bereich ist dem Bau ein massiver Kern mit Aufzügen und Fluchttreppen angefügt. Die Waren wurden von der Rückseite über einen Wirtschaftshof angeliefert.

Wegen der aufwändigen »Fensterputzerei« wurde die Fassade nicht – wie zunächst vorgesehen – mit einer StahlGlas-Konstruktion mit geschlossenen Brüstungsfeldern ausgeführt; diese Variante hatte zuvor in Heilbronn Anwendung und Anerkennung gefunden. Eiermann schlug zur Lösung des Fensterputz-Problems zunächst fahrbare Leitern vor, zur Ausführung kamen schließlich 65 Zentimeter breite Fassadenumgänge, die durch Auskragungen der Geschossdecken gebildet werden. In dieser vorgelagerten Ebene sind regulierbare Metalllamellen als Sonnenschutz angebracht, die allerdings aufgrund ihrer großen Windanfälligkeit von der Bauabteilung der Firma Merkur nicht mehr an weiteren Kaufhausbauten eingesetzt wurden. Die Umgänge hingegen, die hier erstmals zur Anwendung kamen, erlangten im weiteren Werk Eiermanns einen hohen Stellenwert, sie wurden fast zu einem Markenzeichen. Waren auch zunächst funktionale Gründe – die Reinigung der Fenster – Anlass für diese Lösung, so war es doch eher die gestalterisch-tektonische Qualität, die dieser Art der Fassadenschichtung zum Erfolg verhalf. Das feingliedrige Stabwerk, welches den Raster der innen liegenden Stützen aufnimmt, die horizontale Gliederung der Geschosse und die Materialität erzeugen eine auf den Menschen bezogene Maßstäblichkeit und optische Leichtigkeit, die eine Integration der großen Gebäudemasse in den kleinteiligen Stadtraum behutsam und gleichermaßen selbstbewusst gelingen ließ.

Friederike Hobel

"Egon Eiermann 1904-1970. Die Kontinuität der Moderne", Hrg. Annemarie Jaeggi, Hatje Cantz: Ostfildern-Ruit, 2004, S. 161

Projektspezifische Angaben

Projekt Kaufhaus Merkur
Beteiligte
  • Egon Eiermann und Robert Hilgers, Architektur
Projektzeitraum 1952

Objektspezifische Angaben

Typologie Warenhaus, department stores (buildings)

Ortsspezifische Angaben

Land Deutschland
Ort Reutlingen