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Digitaler Katalog Egon Eiermann

Deutscher Pavillon Weltausstellung 1958
1956-1958

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Deutscher Pavillon Weltausstellung 1958

Seit 1939 hatte keine Weltausstellung mehr stattgefunden, und Deutschland war zuletzt 1937 in Paris mit dem von Albert Speer entworfenen Pavillon vertreten gewesen. Nun lud Belgien alle Länder, mit denen es diplomatische Beziehungen pflegte, in seine Hauptstadt zur ersten Weltausstellung der Nachkriegszeit. Das idealistische Motto »Bilanz für eine menschlichere Welt« verdeutlichte das Bestreben der belgischen Ausrichter, nicht die übliche wirtschaftliche Leistungsschau der Länder in gegenseitiger Konkurrenz weiterzuführen, sondern vielmehr den Fortschritt im kulturellen Sinn zum Thema zu erheben. Nach den verheerenden Auswirkungen des Kriegs sollte die Technik nur noch zum Wohle der Menschheit eingesetzt werden, was bildhaft durch das im Mittelpunkt des Ausstellungsareals errichtete »Atomium« als Symbol für die friedliche Nutzung der Kernkraft zum Ausdruck kam. Innerhalb des weitläufigen Areals erhielt die Bundesrepublik Deutschland ein 18 000 Quadratmeter großes Gelände, das Bestandteil des königlichen Parks Laeken war, mit alten Bäumen, die nicht gefällt werden durften. Nach einem internen Ideenwettbewerb zwischen Egon Eiermann und Sep Ruf bestimmte die deutsche Kommission beide Architekten in gleichrangiger Verantwortung mit der Ausführung. Sie entwickelten eine Abfolge von acht Pavillons, die durch Stege miteinander zu einem Rundgang verbunden waren und in ihrer Mitte einen baumbestandenen Innenbereich umschlossen. Vom höher liegenden Geländerand führte eine 60 Meter lange Fußgängerbrücke mit asymmetrisch angeordnetem Pylon zur Pavillongruppe. Die vorgefertigte Stahlkonstruktion mit einem Stützenabstand von 10 Metern gewährleistete die größtmögliche Flexibilität der quadratischen Pavillongrundrisse. Dieser leichten Konstruktion entsprach die schwebende Eleganz der Architektur und die sorgfältige Einfachheit der Detaillösungen: Eine Verglasung umgab die kubischen Bauten als transparente Hülle, filigrane Umgänge, an denen elektrisch steuerbare Jalousien befestigt waren, bildeten eine weitere Fassadenschicht als begehbare Zone zwischen Innen- und Außenraum. Vor allem in der ausländischen Presse wurde der deutsche Beitrag wegen seiner heiteren Transparenz und lichtdurchfluteten Leichtigkeit gelobt - Qualitäten, die als Symbol für die Abkehr vom Faschismus und den Aufbruch in eine offene Gesellschaftsform verstanden wurden. Gegen Ende der Ausstellung begann die Diskussion um das Schicksal der Pavillonbauten. An Vorschlägen für eine Wiederverwendung mangelte es nicht. So plädierte der Berliner Tagesspiegel 1959 für eine Weiternutzung als Galerie des 20. Jahrhunderts - »ein modernes Petit Palais in Deutschland«, das im neu errichteten Hansaviertel einen passenden Standort finden könne. Aber auch private Interessenten bemühten sich um die Erhaltung der Bauten. Werner Schriefers, Leiter der Abteilung Grundlehre an der Werkkunstschule Wuppertal, plante, die Pavillons als Schulgebäude zu übernehmen und einen davon gar als eigenes Wohnhaus zu nutzen. Als zu guter Letzt doch der Abriss samt Verschrottung feststand, kaufte der passionierte Designsammler Schriefers kurzerhand einen Teil des von Egon Eiermann entworfenen Interieurs auf, unter anderem drei Majolikavasen, 25 Keramikaschenbecher, 15 Stehleuchter, sechs Strahlerleuchten, fünf Schirmständer und zwei Nussbaumtische. Von den Bauwerken des deutschen Beitrags für die Weltausstellung Brüssel überdauerte nur die Fußgängerbrücke - sie gelangte als »Zoo-Brücke« nach Duisburg.

Annemarie Jaeggi

"Egon Eiermann 1904-1970. Die Kontinuität der Moderne", Hrg. Annemarie Jaeggi, Hatje Cantz: Ostfildern-Ruit, 2004, S. 169f.

Mobiliar

Baumtisch, SE 119, SE 119A, SE 119H, SE 66, SE 18, SE 76, E 10, E 14, E 17, E 20, Aschenbecher

Literatur

Ernst Johann, „Der Deutsche Pavillon auf der Weltausstellung in Brüssel 1958“, in: Architektur und Wohnform, Heft 8, Oktober 1958, S. 323f.

Paulhans Peters, „Weltausstellung Brüssel“, in: Baumeister, Heft 6, Juni 1958, S. 391ff.

Projektspezifische Angaben

Projekt Deutscher Pavillon Weltausstellung 1958
Beteiligte
  • Egon Eiermann und Sep Ruf, Architektur
Projektzeitraum 1956-1958

Objektspezifische Angaben

Typologie Länderpavillion, national pavilions

Ortsspezifische Angaben

Land Belgien
Ort Brüssel