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Digitaler Katalog Egon Eiermann

Wohnhaus Eiermann
1959-1962

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Wohnhaus Eiermann

Etwa gleichzeitig mit der Übernahme des Auftrags für das Haus Hardenberg beschäftigte Egon Eiermann das Projekt des eigenen Domizils auf der anderen Talseite Baden-Badens. Hier sollte der Architekt mit seiner Familie von 1962 bis zu seinem Tod wohnen. Der lang gestreckte Baukörper besitzt ein flach geneigtes, weit überstehendes Welleternitdach und ist auf der Gartenseite großflächig verglast. Es handelt sich um eine Konstruktion mit tragenden Querwänden, auch Schottenbau genannt, die durch eine Treppe in zwei asymmetrische Abschnitte gegliedert wird. Im rechten Winkel zum Wohnhaus befindet sich im Nordwesten ein zweistöckiges, turmartiges Ateliergebäude in gleicher Bauweise, wie das Wohnhaus ist es zum Garten hin ausgerichtet. An den Längsfassaden gewähren Vordächer, Balkone und Schiebegitter einen Sonnen-, Sicht- und Witterungsschutz. Im Inneren des Wohngebäudes zeigt sich eine räumliche Untergliederung durch die in ihrer Höhenanordnung gegeneinander versetzten Wohn- und Schlafbereiche.

Jedes Detail des Gebäudes ist mit großer planerischer wie handwerklicher Sorgfalt ausgebildet und steht in engem Zusammenhang mit der übergreifenden Konzeption. So sind beispielsweise die Fußböden im Inneren mit kreisrunden farbigen Fliesen belegt, die mit den großen Terrassenplatten im Freien und den Blumentopföffnungen in den Balkonböden korrespondieren. Das leuchtend braunrote Holz der Oregon Pinie fand vielfältige Verwendung: Nicht nur das Dachgebälk und die Fensterelemente, sondern auch die Deckenschalungen im Inneren wurden in diesem Werkstoff gearbeitet, wie auch die wandfeste Möblierung in Küchen, Nass- und Wohnräumen.

Die relingartige Gestaltung der Balkone mit den weißen Sonnensegeln und den Brüstungshölzern und -seilen macht - wie auch große Teile der bereits genannten Innenausstattung - Anleihen aus dem Schiffsbau, die sich virtuos zu den Elementen japanischer Architektur hinzufügen. Fernöstliche Einflüsse sind am Haus Eiermann mit wenig Mühe auszumachen. Hier finden sich flache, weit vorkragende Giebeldächer ohne Dachrinnen, großflächige Schiebetüren zur Gartenseite und vorgehängte, an japanische Papierwände erinnernde Vergitterungen. Prägend für die Gestaltung war die Asymmetrie als grundlegendes Prinzip traditioneller japanischer Architekturauffassung.

Zentrale Quelle der Inspiration war für Egon Eiermann ein Buch des Japaners Tetsuro Yoshida, Das japanische Wohnhaus (deutsch 1935), auf das er sich in seinen Vorlesungen häufig bezog. Die Verarbeitung dieser Einflüsse hatte bei dem Architekten bereits während der dreißiger Jahre eingesetzt, denn das Wohnhaus Vollberg in Berlin (1938-1942) trägt deutlich die Merkmale fernöstlicher Rezeption.

Den Garten gestaltete Eiermann durch eine niedrige, asymmetrisch gesetzte und dichte Vegetation. Auf einer entsprechenden Zeichnung notierte er: »Prinzip: Ich will keine Aussicht, keine Sonne, sondern Wände aus Grün.« Mit dem Anthrazitgrau als Fassadenanstrich der Gebäude wollte Eiermann die Vegetation farblich binden und nicht durch grelles Weiß »wie mit Haifischzähnen zerhacken«.

Clemens Kieser

"Egon Eiermann 1904-1970. Die Kontinuität der Moderne", Hrg. Annemarie Jaeggi, Hatje Cantz: Ostfildern-Ruit, 2004, S. 195

Projektspezifische Angaben

Projekt Wohnhaus Eiermann
Beteiligte
  • Egon Eiermann, Architektur
Projektzeitraum 1959-1962

Objektspezifische Angaben

Typologie Einfamilienhaus, single-family dwellings

Ortsspezifische Angaben

Land Deutschland
Ort Baden-Baden