saai | Archiv für Architektur und Ingenieurbau
Digitaler Katalog Egon Eiermann
SE 18 Klappstuhl
1953
SE 18 Klappstuhl
Der Klappstuhl war der letzte in Egon Eiermanns Reihe der erfolgreichen Serienmodelle, und er war zugleich sein großer Wurf. Kein anderes Modell Eiermanns, kein anderes deutsches Möbel der fünfziger Jahre überhaupt hielt sich so hartnäckig in der Akzeptanz durch die Käufer und blieb über 50 Jahre lang - bis heute - ununterbrochen in Produktion. Und kein anderes von Eiermanns Modellen wurde gleich mit zwei internationalen Ehrungen ausgezeichnet: 1953 erhielt er den Good Design Award des Museum of Modem Art in New York, gefolgt von einer Silbernen Medaille auf der X. Mailänder Triennale 1954.
Es begann ganz harmlos. Wilde + Spieth, eine Esslinger Rollladen- und Möbelfabrik, mit der Eiermann seit 1949 Möbel entwickelte, wollte von ihm einen einfachen Klappstuhl entworfen haben. Eiermann dachte anspruchsvoller, und bereits nach drei Monaten war das attraktive Sitzmöbel fertig. Entgegen seiner früheren Idee, den Stuhl ganz aus Sperrholz auszuführen, entschied er sich schließlich für ein Gestell aus gedrechselten Rundholzstäben.
Neu war bei einem deutschen Klappmöbel der Nachkriegszeit die stimmige Kombination von Funktion und Ästhetik: geringer Platzbedarf; sehr gute Handlichkeit; Leichtigkeit; große Haltbarkeit; moderne, skandinavische Formgebung; sensibel ausgewogene Proportionen. Mit dem SE 18 gelang es Eiermann, scheinbare Widersprüche aufzulösen. Die Dreiecksverbindung zwischen den Gestellholmen bringt dies mit ihrer hohen formalen Eleganz bei zugleich großer Belastbarkeit auf den Punkt.
Einzeln aufgestellt besitzt der Stuhl skulpturale Werte; keine Umrisslinie scheint zufällig, jede bedingt die andere. Dennoch zeigt sich das Modell erstaunlich ein- und anpassungsfähig. Als feste Reihenbestuhlung mit klappbarem Sitz ließen sich mit ihm auch große Hallen ausstatten. Eine Luxusvariante aus Teakholz mit Kunststofffüßchen, verkleinerte Modelle für Kinder- und Campingbedarf und ein angefügtes Schreibbrett gingen auf spezielle Kundenwünsche ein, stellten jedoch niemals den Erfolg des Standardmodells infrage.
Wenn Eiermann seine Bauten mit eigenen Möbeln ausstattete, griff er gerne auf den SE 18 zurück. Die Lackierung von Sitzfläche und Rückenlehne bot ihm die Möglichkeit, bunte Akzente in seine farbig eher zurückhaltenden Innenräume zu bringen, wie zum Beispiel in der Kantine des Versandhauses Neckermann in Frankfurt am Main und in noch auffälligerer Weise im Deutschen Pavillon der Weltausstellung in Brüssel von 1958. Hier war die exponierte Präsentation der Stühle für Eiermann willkommener Anlass, einer internationalen Öffentlichkeit seine neuen Versuchen zu präsentieren, nämlich Sitz und Lehne aus eingefärbtem Kunststoff.
Arthur Mehlstäubler
"Egon Eiermann 1904-1970. Die Kontinuität der Moderne", Hrg. Annemarie Jaeggi, Hatje Cantz: Ostfildern-Ruit, 2004, S. 217
Projektspezifische Angaben
- Egon Eiermann, Design
- Wilde + Spieth, Produktion