saai | Archiv für Architektur und Ingenieurbau
Digitaler Katalog Egon Eiermann
Wohnhaus Vollberg
1938-1942
Wohnhaus Vollberg
Für den Fabrikanten Günther Vollberg entstand auf einem weitläufigen, nur über einen langen, schmalen Zufahrtsweg erreichbaren Grundstück im Berliner Villenvorort Grunewald ein Haus mit beträchtlichen Ausmaßen, das einer Familie mit vier Kindern und Hauspersonal diente. Bei dieser großzügigen Aufgabe konnte Egon Eiermann Ideen, die er bereits bei früheren Wohnbauten entwickelt hatte, zu einer radikalen Form weiterführen. Das betrifft insbesondere die Gliederung des eingeschossigen Baus in mehrere Flügel, die den Architekten schon beim 1936/37 errichteten Wohnhaus Steingroever beschäftigte.
Vom zentralen Eingangsbereich aus führen drei Flure in die nach den Funktionen Wohnen/Essen, Schlafen/Waschen und Garage/Personal getrennten Trakte, die in quer liegenden Riegeln enden. Einer allzu starken Auflösung der Gebäudemasse wird durch die Wahl des einheitlichen Baumaterials, gelblicher Backstein, und durch die gleichbleibende Firsthöhe des Daches entgegengewirkt.
Auch die gegenseitige Durchdringung von Innen- und Außenraum findet eine radikale Form. Zwei begrünte Höfe werden von der Architektur umschlossen und zugleich durch wandhohe Fensterbänder und Türen zu ihr geöffnet. Durch die Verwendung des gleichen gelblichen Sichtmauerwerks für die Außen- und Innenwände und das Fortlaufen des Plattenbelags - Solnhofer Kalkstein - vom Garten in das Gebäude hinein schuf Eiermann einen fließenden Übergang zwischen Natur und Architektur. Schließlich setzte er im Außenraum Rankgerüste und im Innenbereich Pflanzenregale ein, um grün bewachsene Wände zu erzeugen.
Einen spannungsvollen Kontrast zu den natürlichen Baumaterialien erreichte der Architekt mit der Wahl des Materials für die Dachdeckung. Es mag an der Kontingentierung der Baustoffe während des Kriegs liegen, aber auch mit dem Reiz des Neuen zu tun haben, dass sich Eiermann hier für Eternit entschied. Er stellte sich damit in die noch kurze Reihe moderner Architekten - zu denen auch Le Corbusier gehörte -, die diesem künstlichen Material Qualitäten abrangen.
Arthur Mehlstäubler
"Egon Eiermann 1904-1970. Die Kontinuität der Moderne", Hrg. Annemarie Jaeggi, Hatje Cantz: Ostfildern-Ruit, 2004, S. 131
Projektspezifische Angaben
- Egon Eiermann, Architektur
- Günther Vollberg, Bauherr*in
- Herta Hammerbacher, Landschaftsarchitekt*in
- Rudolf Büchner, Mitarbeiter*in Eiermann