saai | Archiv für Architektur und Ingenieurbau
Digitaler Katalog Egon Eiermann
Verwaltungs- und Ausbildungszentrum Deutsche Olivetti
1967-1972
Verwaltungs- und Ausbildungszentrum Deutsche Olivetti
Weithin sichtbar erheben sich auf mächtigen Betonkelchen die beiden »Olivetti-Türme«, die dicht neben zwei niedrigen Hallenbauten aus dem Boden wachsen. Helle Sonnensegel an einem stählernen weißen Gitter montiert und von Stahlkonsolen und Umgangsplatten getragen, umgeben die Vollgeschosse und verleihen den Türmen ihre signifikante Form.
Egon Eiermann, der die Vollendung seines letzten Bauwerkes nicht mehr erlebte, wurde 1967 von dem Weltunternehmen Olivetti beauftragt, in der Bürostadt Frankfurt-Niederrad ein Verwaltungs- und Ausbildungszentrum für die deutsche Hauptniederlassung des Büro- und Computerunternehmens zu errichten. Olivetti galt als außergewöhnlicher Bauherr. Der »stile Olivetti« stand für anspruchsvolles Design und hochwertige Produktgestaltung, verbunden mit kulturellem und sozialem Impetus. Ebenso gehörte zur Unternehmensphilosophie die Firmenarchitektur, die dem Qualitätsbewusstsein des Konzerns Ausdruck verleihen sollte. Als eine »erfreuliche Forderung« beschrieb Eiermann »den Anspruch des Bauherrn auf eine Architektur[...], die dem hohen formalen und technischen Niveau der Olivetti-Erzeugnisse entspricht«.
Wenngleich dem Projekt ein idealer Bauherr vorstand, so war die Planung schwierig, da das umfangreiche Programm auf einem relativ schmalen Grundstück untergebracht werden musste: Für 350 ständige Mitarbeiter sollten Büroräume geschaffen werden, neben Verwaltungs- und Verkaufsbüros auch Ausstellungsräume für Olivetti-Produkte, des weiteren ein Gästehaus mit Restaurant sowie Schulungsräume für rund 150 Lehrgangsteilnehmer.
Im Frühjahr 1968 präsentierte Egon Eiermann dem Bauherrn zwei unterschiedliche Entwürfe. Die Flachbaulösung mit niedrigen Pavillonbauten und Scheibenhäusern wurde aufgrund der dominierenden angrenzenden Bebauung des Nestle-Hochhauses ausgeschlossen. Die alternativ entwickelte Hochbaulösung mit einem Kelch- und einem Hängehaus entsprach in der Fernwirkung der Baukörper dem Repräsentationsbedürfnis des Unternehmens, zumal die Gestalt des Kelchhauses ohne Vorbild in der Architekturgeschichte war. Aus Kostengründen wurde jedoch auf eine Variation der Gebäude verzichtet und beide Hochbauten wurden in gleicher Konstruktion als Kelchhäuser ausgeführt.
Die Bauvorschriften für das Grundstück bedingten, dass die Traufhöhe dem Abstand zur Grundstücksgrenze entsprechen musste. Durch die Aufstelzung konnten die Hochhäuser nahe an die niedrigen Hallenbauten herangerückt werden, ohne diese zu durchdringen. Somit war gewährleistet, dass die verschiedenen Baukörper im Sinne Eiermanns in ihrem Gefüge ablesbar blieben.
Bereits in der frühesten Projektphase hatte Eiermann sich mit der Idee des Kelchhauses beschäftigt. Die »differenzierte, lebendige und unverwechselbare architektonische Form« wurde, wie Eiermann betonte, unter »Berücksichtigung und Koordinierung aller äußeren Umstände und inneren Bedingungen« entwickelt.
Mit den »Olivetti-Türmen« fand Egon Eiermann zu einer Baugestalt, die dem Weltkonzern als Image diente und zugleich seinen eigenen Anspruch erfüllte, dass jedes ästhetische Ausdrucksmittel funktional begründet sein muss und im Idealfall aus der funktionalen auch eine ästhetische Qualität entsteht.
Heidi Fischer
"Egon Eiermann 1904-1970. Die Kontinuität der Moderne", Hrg. Annemarie Jaeggi, Hatje Cantz: Ostfildern-Ruit, 2004, S. 213f.
Projektspezifische Angaben
- Egon Eiermann (bis 1970) und "Planungsrguppe Olivett" Büro Rudolf Wiest (ab 1970), Architektur
- Horstheinz Neuendorff, Fotografie
Objektspezifische Angaben
- Hochhaus
- Albergo
- Verwaltungshochhaus
- Gästehochaus
- Fluchttreppenturm
- Kelchhochhaus