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Digitaler Katalog Egon Eiermann

Bauten Raffinerie DEA-Scholven GmbH
1961-1963

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Bauten Raffinerie DEA-Scholven GmbH

Obwohl Egon Eiermann 23 Jahre in Karlsruhe lehrte und arbeitete, konnte er dort nur zwei Projekte realisieren, die zudem wegen ihrer Nutzung und eher peripheren Lage kaum bekannt sind. Neben dem in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre entstandenen Versuchskraftwerk auf dem Universitätscampus sind dies die Funktionsbauten der früheren DEA-Scholven GmbH, heute als MiRO die größte deutsche Mineralölraffinerie. Sie stehen, aus Sicherheitsgründen größtenteils unzugänglich, auf dem weiträumigen Raffinerieareal am Rhein nordwestlich von Knielingen.

Es handelt sich um insgesamt 22 Bauten, vom Pförtnerhaus über die Kantinen-, Sozial-, Magazin-, Werkstätten und Laborgebäude bis hin zur Feuerwache sowie einzelnen Messstationen. Der größte Bau der Gruppe ist das dreigeschossige Verwaltungsgebäude, das - außerhalb der Sperrzone an der Hauptzufahrt gelegen - zumindest von außen zu besichtigen ist.

Der Auftrag, den Eiermann nach einem engeren Wettbewerb erhielt, gestaltete sich schwierig: Es musste kostengünstig eine Vielzahl verschiedener und variabler Bautypen realisiert werden. Planung und Bauausführung standen zudem unter großem Zeitdruck. Eiermann löste die komplexe Aufgabe - charakteristisch für den Geist der frühen sechziger Jahre - durch strenge Rationalisierung und Typisierung. Allen Bauten wurde ein durchgängiges Konstruktionsraster zugrunde gelegt, was ihnen trotz aller Unterschiede ein einheitliches Bild verleiht. Die außen liegenden Elemente des tragenden Stahlskeletts mit Diagonal-Windverbänden bleiben frei sichtbar, die vorgefertigten hölzernen Fassadenelemente, alle gleich groß und nur in der Teilung unterschiedlich, sind in die Konstruktion eingesetzt. Die ebenfalls vorgefertigten Deckenplatten aus Stahlbeton liegen auf Wabenträgern, durch deren Öffnungen die Installationen hindurchgeführt sind. Klimaanlagen sind den Flachdächern kastenförmig aufgesetzt; Sonderräume, die in der Konstruktion nicht unterzubringen waren, wurden als geschlossene Körper den Bauten additiv angefügt.

Trotz der vornehmlich funktionalen Aspekte lag Eiermann auch die formale Gestaltung am Herzen. Die ausgewogenen Proportionen, die Durcharbeitung bis ins kleinste Detail und auch ein stringentes Farbkonzept belegen den Wert, den er auf gestalterische Vervollkommnung legte. Die erkennbare Absicht, Architektur und Technik in ihrer Erscheinung anzunähern, führte mehrfach zu Diskussionen mit den Bauherren. Diese hatten einerseits starke Bedenken gegen einen zu fabrikmäßigen Charakter des Verwaltungsgebäudes mit seinen Diagonalverstrebungen an den Fassaden, andererseits wurde Eiermanns Wunsch nicht nachgegeben, über seinen eigentlichen Auftrag hinaus auch die Farbgestaltung der gigantischen technischen Anlagen der Raffinerie seinen künstlerischen Kriterien zu unterwerfen.

1996 fusionierten die Raffinerie und die benachbarte Esso AG zur heutigen MiRO. Die zentrale Verwaltung bezog Gebäude auf dem früheren Esso-Gelände, der Verwaltungsbau Eiermanns verlor damit seine Funktion. Das Kulturdenkmal steht seit geraumer Zeit leer, und es wurde ein Abbruchantrag gestellt. Aufgrund fehlender Bauunterhaltung ist der Bau inzwischen in einem gefährdeten Zustand.

Gerhard Kabierske

"Egon Eiermann 1904-1970. Die Kontinuität der Moderne", Hrg. Annemarie Jaeggi, Hatje Cantz: Ostfildern-Ruit, 2004, S. 199

Projektspezifische Angaben

Projekt Bauten Raffinerie DEA-Scholven GmbH
Beteiligte
  • DEA-Scholven GmbH, Bauherr*in
  • Egon Eiermann und Robert Hilgers, Architektur
Projektzeitraum 1961-1963

Objektspezifische Angaben

Typologie Industriekomplex, industrial complexes

Ortsspezifische Angaben

Land Deutschland
Ort Karlsruhe